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Das Junge Deutschland (1830 – 1850)

 

 

Begriff

Als Junges Deutschland wird die unorganisierte literarische Bewegung  mit politisch-zeitkritischer Tendenz zwischen 1830 und 1850 bezeichnet. Diese Bewegung stellte eine lose Vereinigung politisch engagierter Schriftsteller wie Ludwig Börne, Heinrich Heine, Ludolf Wienbarg, Heinrich Laube und Karl Gutzkow dar. Ludolf Wienbargs Vorlesungen 'Ästhetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet (1834)' gaben der Bewegung ihren Namen.

Der Begriff Junges Deutschland steht analog zur Begriffsbildung in der Politik (Giovina Italia und Les Jeunes-France, Junges Europa) und Literatur, wie z. B. in Heinrich Laubes Roman 'Das junge Europa (1833/1837)'. Er weist auf die revolutionäre Aufbruchstimmung nach der französischen Julirevolution 1830 hin.

Das Junge Deutschland kritisierte die moralische und gesellschaftliche Ordnung der Restaurationszeit, die Allmacht des Staates, soziale Ungerechtigkeiten, Adel und Kirche und den Idealismus von Klassik und Romantik und war damit Teil bzw. Wegbereiter für die radikalere Politische Tendenzdichtung/Vormärz.

Die Gruppe der Jungdeutschen formierte sich um 1830. Allerdings wurde sie erst ab 1835 als literarische Schule bezeichnet, nachdem die Bundesversammlung beschloss die Schriften von Heine, Gutzkow, Wienbarg, Mundt und Laube als staatsgefährdend zu verbieten. Im Antrag eines preußischen Gesandten hieß es, das Junge Deutschland sei „antichristlich, gotteslästerlich und würde alle Sitte, Scham und Ehrbarkeit mit Füßen tretend.“ Ihnen wurde vorgeworfen „die christliche Religion auf frechste Weise anzugreifen, die bestehenden sozialen Verhältnisse herabzuwürdigen und alle Zucht und Sittlichkeit zu zerstören.“ Damit war einmalig in der deutschen Geschichte eine ganze literarische Bewegung von der Zensur betroffen. Dieser Verbotsbeschluss und die damit verbundenen Repressionen, aber auch der Mangel an formal-ästhetischer Substanz, führte zu einem raschen Zerfall der nicht gefestigten Bewegung. Viele Autoren verloren ihren Glauben an Recht und Freiheit und gaben ihre gesellschaftspolitische Arbeit auf.

 

Literatur und Vertreter 

Die revolutionären Tendenzen der Jungdeutschen wurden durch die französische Julirevolution 1830 ausgelöst. Sie beinhalteten die Grundstimmung, dass die derzeit existierende Literatur stagniere und durch eine neue emanzipatorische, dem politischen und sozialen Leben in Kontakt stehende Literatur ersetzt werden müsse. Zudem sollte sich  die Literatur kritisch reflektierend mit allen Belangen der Gegenwart auseinandersetzen sowie kraft ihrer philosophischen, religiösen und politischen Ideen zu gesellschaftlichen Veränderungen beitragen.

Die politischen Vorstellungen der Jungdeutschen orientierten sich an den bürgerlich-liberalen Ideen, die durch die revolutionären Bewegungen in Frankreich neue Aktualität gewonnen hatten. Diese lehnten die moralische und gesellschaftliche Ordnung der Restaurationszeit (Feudalstaat, insbesondere Adel, Kirche) sowie die Willkür der absoluten Herrscher ab und forderten das Recht auf Freiheit und Gleichheit der Bürger. Während sich Wirtschaft, Technik und Industrie in dieser Zeit stark weiterentwickelten blieben das Bürgertum und Proletariat von politischer Mitsprache ausgeschlossen. Die Jungdeutschen traten zudem für eine demokratische Verfassung ein und kämpften für Meinungs- und Pressefreiheit, indem sie gegen die Zensur schrieben.

Gleichsam setzten sie sich für die Emanzipation der Frau sowie deren Recht auf Bildung und Selbständigkeit ein. Weitere Ziele waren die Abschaffung der Kleinstaaterei zugunsten einer staatlichen Einheit sowie die Trennung von Staat und Amtskirche.

Der Protest gegen die politische Restauration verband sich mit den Gedanken einer umfassenden Erneuerung, einer durch „Zerrissenheit“ charakterisierten Zeit, einer produktiven Vereinigung aller geistigen Tendenzen und einer Verbindung von Kunst, Wissenschaft und Leben. Die Jungdeutschen traten mit dem Anspruch auf, eine neue Epoche einzuleiten und in ihrem Schaffen den „Zeitgeist“ zu repräsentieren. Als Vordenker galten Karl Marx (Sozialismus), Friedrich Hegel (Idealismus) und Ludwig Feuerbach (Materialismus).

Das Junge Deutschland stand in scharfem Gegensatz zu Klassik und Romantik. Alles vorhergegangene, besonders die von Heine als „Kunstperiode“ bezeichnete Goethezeit wurde abgelehnt. Die romantische Geisteshaltung und Literatur wurde als weltanschaulich und künstlerisch rückschrittlich empfunden. Eine Trennung von Kunst und gesellschaftlichem Alltag war in ihren Augen nicht mehr zeitgemäß. In Heines Buch „Die romantische Schule“ (1836), das zu einer der wichtigsten theoretischen Schriften des Jungen Deutschland wurde, fand eine Abrechnung mit den reaktionären Tendenzen der (Spät-)romantiker statt. Der vergangenen ästhetisch-idealistischen Kunstrichtung und dem „Aristokratismus“ der vergangenen klassisch-romantischen Literaturepoche, sollte eine Literatur der Bewegung (Mundt), oder auch littérature engagée (Börne) entgegengesetzt werden, die durch neue, politisch-gesellschaftlich wichtige Stoffe und kritische Reflexion die Wirklichkeit in ihrer Widersprüchlichkeit darstellen sollte.
Für die Autoren des Jungen Deutschlanden waren das Politische und die Sozialkritik Ausgangspunkt ihrer literarischen Tätigkeit. Sie betrachteten sich nicht als „weltfremde Literaten“, sondern als öffentlich wirksame Publizisten.  Literatur sollte als Propaganda- und Agitationsmittel und der Verbreitung politischer, weltanschaulicher, sozialer und wirtschaftlicher Gedanken dienen. Das rechte Bild zeigt eine Abbildung der jungdeutschen Literaturzeitschrift "Phönix", die neben anderen von Karl Gutzkow herausgegeben wurde.

Ludwig Börne reist nach Ausbruch der Julirevolution nach Paris, das sein Exilort wurde. 1831 besuchte er dort politische und kulturelle Salons und ging regelmäßig ins Boulevardtheater und die italienische Oper. Aus Börnes Briefwechsel mit Jeanette Wohl entstanden die "Briefe aus Paris". Die ersten beiden Teile erschienen noch vor der Jahreswende 1831/32. Trotz scharfer Kritik und Verbots in den deutschen Bundesstaaten stießen die "Briefe" in ganz Europa auf große Resonanz. Um einige zeitgenössischen Pressestimmen zu lesen, bitte hier klicken.

Die diesen Zielen entsprechende Sprachform war die Prosa, da sie keinen Regelzwängen unterlag und sich den vielfältigen Inhalten anpassen konnte. Die Sprache der Jungdeutschen war eher salopp, provozierend und satirisch. Man ließ sich nicht mehr von „schönen Worten“ blenden, sondern wollte eine politische Literatur schaffen, die sich mit den Gegensätzen wie Nationalgefühl und Weltbürgertum, Christentum und rationalistische Kritik, Individualismus und Sozialismus, Tradition und Fortschritt, bürgerliche Moral und der Emanzipation des Fleisches auseinandersetzte.

Im Gegensatz zu Biedermeier und Romantik standen nicht mehr das Innere des Menschen mit seinem Seelenleben, Stimmung und Entwicklung im Vordergrund, sondern revolutionäre Taten und Gedanken. Statt biedermeierlicher Lebensangst, Weltflucht und den Rückzug in die Einsamkeit hofften die Jungen Deutschen mit reformatorischen und aufklärerischen Mitteln die Gesellschaftsordnung zu verbessern.

Dichtung sollte keine Charaktere schaffen, sondern Träger und Vorkämpfer von Ideen sein. Nicht das Poetische, Erhabene und Romantische war entscheidend, sondern das Hier und Jetzt, die konkrete Situation der Gegenwart. Die „Schöngeister“ aus Romantik und Biedermeier waren in ihren Augen spießerhafte Mitbürger, die in der alten Ordnung, Moral und Kunstanschauung verharrten und den Blick in die größere Zukunft scheuten.

 

„Die Dichter stehen nicht mehr…allein im Dienst der Musen, sondern auch im Dienst des Vaterlandes, und allen mächtigen Zielbestrebungen sind sie Verwandte. Ja, sie finden sich nicht selten im Streit mit jenem schönen Dienst, dem ihre Vorgänger huldigten, sie können die Natur nicht über der Kunst vergessen machen.“ (Ludolf Wienbarg)

 

 

 

Georg Herwegh    An die deutschen Dichter  (1840)

 

Seid stolz! es klingt kein Gold der Welt
Wie eurer Saiten Gold;
Es ist kein Fürst so hoch gestellt,
Daß ihr ihm dienen sollt!

Trotz Erz und Marmor stürb er doch,
Wenn ihr ihn sterben ließet;
Der schönste Purpur ist annoch
Das Blut, das ihr als Lied vergießet!

Der Ruhm der Herrscher wird verweht -
Lobpreis ihn, wer da will!
Man jagt und spornt ihn, doch er steht
Mit ihrem Herzen still.

O laßt sie donnern fort und fort!
An ihrem Grab verhallt es.
Ihr Dichter, sprecht ein grollend Wort,
Und zu dem ew'gen Gotte schallt es!

Es hat dem Vogel in dem Nest
Der Himmel nie gewankt;
Er dünkt die Mächtigen nur fest,
Solang der Thron nicht schwankt!

Palast und Purpur hin und her,
Ob Glanz sie überschütte -
Seid stolz, seid stolz, ihr seid ja mehr;
Seid ihr nicht Könige der Hütte?

Blitzt ewig nicht der Tau im Feld
Gleich wie der Diamant?
Ist nicht ob dieser ganzen Welt
Ein Baldachin gespannt?

Wiegt nicht die Rebe, die hinauf
An einem Strohdach gleitet,
Den unfruchtbaren Efeu auf,
Der sich um Zwingherrnburgen breitet?

Hoch, Sänger, schlage euer Herz,
Wie Lerchen in der Luft!
Es ruht sich besser allerwärts
Als in der Fürstengruft.

Ein Liebchen, das die Treue bricht,
Ist überall zu finden;
Verschmähet mir die Ringe nicht,
Doch laßt euch nie an Ketten binden!

Dem Volke nur seid zugetan,
Jauchzt ihm voran zur Schlacht,
Und liegt's verwundet auf dem Plan,
So pfleget sein und wacht!

Und so man ihm den letzten Rest
Der Freiheit will verkümmern,
So haltet nur am Schwerte fest
Und laßt die Harfen uns zertrümmern!

 

 

 

Verwendete Gattungen

Die weit gespannten Ziele der Jungdeutschen erforderten ein großes Leserpublikum. Aus diesem Grund schrieben sie bewusst populär, um die Masse der Leser zu erreichen. Damit wurden Zeitungen und Zeitschriften erstmals zu einem wichtigen Forum für eine literarische Bewegung. Dies führte zu einer Art literarischem Journalismus, der sich in kleineren Prosaformen manifestierte, und in denen trotz Zensur eine geschickt verhüllte Zeitkritik geübt wurde.

Neben lyrischen Texten, Romanen und Novellen erschienen literarische Zweckformen wie Feuilletons, journalistische Texte, Briefe, Flugblätter, Reiseberichte, Memoiren und Skizzen.

Daneben gewann auch der Zeit- und Gesellschaftsroman z. B. Karl Gutzkows Wally, die Zweiflerin von 1835, eine freimütige Thematisierung von Sexualität, oder Theodor Mundts Madonna. Unterhaltungen mit einer Heiligen (1835) sowie der emanzipatorische Frauenroman an Bedeutung.

Zu weiteren wichtigen Werken des Jungen Deutschland gehören u. a. Heinrich Laubes Roman Das junge Europa von 1833/1837, Ludwig Börnes Briefe aus Paris (1832-1834), Ludolf Wienbargs Ästhetische Felzüge (1834), Theodor Mundts Kritische Wälder (1833), Ernst Adolf Willkomms Die Europamüden von 1838, Heinrich Heines Die romantische Schule (1836), seine Reisebilder (1826-1831), (1836) oder das Epos Deutschland. Ein Wintermärchen (1844), in dem er den preußischen Militarismus und das kleinbürgerliche Obrigkeitsdenken kritisiert.

In der Lyrik wurden politisch-aktuelle und allgemeine freiheitliche Themen in traditionellen Formen behandelt. Dazu zählen z. B. Werke von Ferdinand Freiligrath (Ein Glaubesbekenntnis 1844), August Hoffmann von Fallersleben (Deutschlandlied 1841) und Georg Herweghs Gedichte eines Lebendigen (1841/1843), die am radikalsten und politischsten waren.